DER EREMIT.
Wo im Thal im grünen Haine
Aus der dunkeln Kluft,
Bey des Mondes düsterm Scheine,
Dumpf der Uhu ruft,
Steht ein Kreutz aus grauem Steine
Niedrig nur gebaut,
Steht es schaurig ganz alleine,
Dass dem Wand’rer graut.
Da stand in des Thales Mitte
Niedrig nur und klein,
Eine Stroh bedeckte Hütte
Einsam und allein.
Seitwärts stand ein kleiner Garten
Voll und früchtenreich
Rings umgeben von dem zarten
Grünenden Gesträuch.
Sanft unter dem Hüttenfenster
Durch der Blumen Schooss
Rieselte ein Bächlein, das sich
In den See ergoss,
Der am End’ des Haines strahlte,
Wenn des Abends Gluth
Golden bald, bald röthlich mahlte
Seine stille Fluth.
Rechter Hand war die Kapelle
An den Fels gelehnt,
Deren kleines Glöckchen helle
Im Thal wiedertönt.
Täglich tönten Lobgesänge
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Kleiner Vögelein,
Auf zum blauen Himmelsbogen
Durch den grünen Hain.
Tief im düstern Hintergrund’, von
Rosen rings umkränzt,
War ein moosbedeckter Hügel,
Wo ein Kreuz erglänzt.
Traurig senkten die Cypressen
Über diess ihr Haupt,
Selbst, wenn in dem grauen Winter
Ihres Schmuck’s beraubt,
Alle Bäume trauernd schlafen
Trauernd ruht die Flur,
Und in düst’res Grau gehüllet
Feyert die Natur,
Und wenn aus dem lichten Haine
Alle Vögel flieh’n,
Kränzt der Eremit das Kreutz dort
Stets mit Immergrün.
Ihn zwang sein trauriges Schicksal
Und sein eisern’ Loos,
Hier im stillen Hain zu wohnen,
In des Thales Schooss
Einsam, unbekannt zu leben,
Einsam untergehn,
Einsam in dem Grab zu ruhen,
Bis auf jenen Höhn,
In den lichten Himmelsräumen
Wir uns wiedersehn,
Bis uns die Posaune rufet,
Und wir auferstehn.
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