DER EREMIT.

Karel Hynek Mácha

DER EREMIT. (Variant.)
Wo im Thal im grünen Haine Aus der dunkeln Kluft Bey des Mondes düsterm Scheine Dumpf der Uhu ruft, Steht ein Kreutz aus grauem Steine, Niedrig nur gebaut, Steht es schaurig ganz alleine, dass dem Wandrer graut. Da stand in des Thales Mitte, Niedrig nur und klein, Eine strohbedeckte Hütte Einsam und allein. Seitwärts stand ein kleiner Garten Voll und früchtenreich, Rings umgeben von dem dichten Grünenden Gesträuch. Sanft unter dem Hüttenfenster Durch der Blumen Schooss Rieselte ein Bächlein, das sich In den See ergoss, Der am End’ des Haines strahlte, 58 Wenn des Abends Gluth Golden bald, bald röthlich mahlte Seine stille Fluth. Rechter Hand war die Kapelle An den Fels gelehnt, Deren silberhelles Glöckchen Im Thal wiedertönt! Hier in seiner stillen Klause Wohnt’ ein Eremit, Dessen Herz von Gram zerrissen Herbe Peinen litt. Lange lebt er hier so, lange Hat er hier geweint, Weil der Liebe stilles Glück ihm Seine Gunst verneint. Lange strebt er zu vergessen, Dass er einsam sey, Dass sein Liebchen ihn verbannet Zur Einsiedeley. Lange lebt er nur den Köhlern In dem Hain bekannt, Wollte nie die Welt betreten In dem Bussgewand. In der Welt war er ein Fremdling, Hasst’ der Städte Glanz, Liebte nichts als seine Schmerzen Und den Rosenkranz. Täglich tönte der Kapelle Glöckchen durch das Thal Früh und in der Mittagsstunde, Wenn es rief zum Mahl. 59 Und wenn von des Feldes Arbeit Bey dem Abendstrahl Kehrt der Landmann zu der Hütte, Tönt’s zum drittenmahl. Wenn er früh in der Kapelle Sein Gebeth vollbracht, Arbeitet er in dem Garten, Bis der Mittag lacht. Bethet wieder bis zum Abend, Bethet Stunden lang, Bis die Sonne hinter Bergen In das Meer versank. Oefters wenn die Vögel schwiegen, Bloss der Uhu wacht, Und der Mond heraufgestiegen In der Mitternacht, Tönte durch der Bäume Wipfel Leiser Harfenklang, Schwach begleitet von des greisen Siedlers Klaggesang. „Lass mich, Herr, lass mich vergehen, Nimm mich hin zu dir; Was soll ich auf dieser Erde? Was soll ich noch hier? Lass, dass mir der blasse Lethe Schliess das Auge zu, Dass ich in dem Grabe finde Die verlorne Ruh.“ „Dass ich sie dort wiedersehe, Die ich hier verlor, 60 Die ich ewig, ewig liebe, Die mein Herz erkor. Die ich nimmer kann vergessen, Die hier immer lebt, Deren Bild mich selbst im Schlafe, In dem Traum umschwebt.“ So lebt er durch sechzig Jahre In dem stillen Hain, War in seinem holden Thale Immer nur allein. Doch einst tönt’ schon durch drei Tage Das Glöckchen nicht mehr, Umsonst suchen ihn die Köhler, Seine Hütt’ ist leer. Doch er liegt in der Kapelle An des Altars Rand, Seine Harfe fest noch haltend In der todten Hand. Die Kapelle ist versunken, Seine Hütt brannt ab, Nichts ist mehr übrig geblieben Als des Siedlers Grab. Darum, wo im grünen Haine Aus der dunkeln Kluft Bey des Mondes düsterm Scheine Dumpf der Uhu ruft, Steht ein Kreutz von grauem Steine Niedrig nur gebaut, Steht es schaurig ganz alleine, dass dem Wandrer graut. 61