COLUMBUS.
Wer steht dort an des Schiffes Rand,
Sich seiner Grösse stolz bewusst?
Er ist nach Westen hingewandt.
Dort scheint zu liegen seine Lust.
Man sieht’s ihm an, dass ihn sein Geist
Zum fernen Ziele wirbelnd reisst.
Columbus ist’s, der stolze Held
Des grausen Zufalls stolzes Spiel,
Er schifft nach einer neuen Welt;
Doch ferne lieget noch sein Ziel.
D’rum starret unverwandt u[nd] fest
Sein Auge hin zum fernen West!
Er stehet an des Schiffes Rand,
Wie nur die Morgensonne blinkt,
Bis sie vom blauen Bogen schwand,
Bis sie im tiefen Meer versinkt
Und immer giesset ihre Gluth,
In seinen Busen neuen Muth.
Er schiffet auf dem Meere lang’,
Es flossen hin der Tage viel,
Und den Gefährten wird schon bang,
Sie finden nie u[nd] nie ihr Ziel,
Sie wenden ihren bangen Blick
Zum fernen Vaterland zurück.
Sie stürmen auf den Feldhern ein:
– „Führ’ uns zum Vaterland zurück,
Wir wollen dich dem Tode weih’n,
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Wenn du’s nicht thust im Augenblick,
Dich treffe uns’re Rache schwer,
Dass du uns zogst in’s ferne Meer.
„Sind wir darum von unsern Höh’n
Aus unserm lieben Vaterland,
Um hier im Meer zu untergeh’n,
Gereist, zu einem fernen Strand.“
Sie wollen in der blinden Wuth
Ihn schleudern in die Meeresfluth.
Columbus aber immer gross
Zum Tross sich wendend, also spricht:
„Sey auch so schrecklich noch mein Loos.
Ich zitt’re vor dem Tode nicht.
Doch gönnet mir drey Tage Frist,
Und wenn dann all’ verloren ist,
So schleudert mich zur Meeresfluth,
Werf’t mich zum grausen Schlund herab
Und sättig’t also eure Wuth.
Doch wisst, ihr stürzt mit mir ins Grab
Und schrecklich ist dann eu’r Geschick,
Denn Niemand führet euch zurück.“
Sie gehen ruhig zwar davon,
Doch immer kocht noch ihre Wuth,
Mann hört sie noch dem Feldherrn drohn,
Sie fordern immer noch sein Blut
Und warten, bis die kurze Frist
Am dritten Tag verflossen ist.
Columbus aber, zwar ein Held,
Fühlt sich durch dieses schwer gekränkt,
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Er bethet zu dem Herrn der Welt
Der aller Menschen Schicksal lenkt.
„O Herr, spricht er, Du nur allein
Kannst nun mein Schild, mein Retter seyn.
Aus meinem stolzen Vaterland
Verstiess man mich, ich eile fort
Und komme an Spaniens Strand,
Ich steig ans Land, aber auch dort
Verfolgt man mich, auch dort verhasst
Ist jedem dieser neue Gast.
Ich reise nun ins weite Meer,
Ich will entdecken neues Land,
Aber auch hier drückt sie mich schwer,
Auch hier quält mich des Schicksals Hand;
Darum errette mich, mein Gott,
Aus dieser neuen grossen Noth.“
Er geht nun an des Schiffes Rand,
Er blicket in die weite Fern,
Er ist nach Westen hingewandt,
Doch ihm erscheint kein Hoffnungsstern,
Und wie er fleh’t zum Herrn des Lichts,
Und wie er sucht, er findet – Nichts.
So flossen schon zwey Tage hin
Und immer sieht man nirgends Land,
Wie auch die Schiffe schnelle fliehn,
Entdeckt er nirgends einen Strand
Und immer starrt sein Auge fest
Und unverwandt zum fernen West.
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Jetzt bricht die zweyte Nacht heran,
Sie bricht heran u[nd] mancher Stern
Beleuchtet hell die glatte Bahn
Des Meeres, u[nd] in weiter Fern
Erglänzt der Mond im blassen Licht,
Doch Hoffnung scheint noch immer nicht.
Jetzt tobt des Orkans wilde Macht,
Man höret wie der Stumwind saust,
Es herrschet grause, finst’re Nacht,
Das Meer in weiter Fern’ erbraust.
Es eilet immer schnell und schnell
Vom Wind gepeitscht die Meereswell’.
„Herr, spricht Columbus, ist es dein Will’,
So lass im Meer uns untergehn.“
Doch nach u[nd] nach wird’s wieder still,
Man hört die Winde nicht mehr wehn,
Der Mond allein noch unbesiegt,
Durch die zerrissnen Wolken blickt.
„Du Vater der im Himmel thronst,“
Also Columbus bethend spricht,
„Der jeden Guten ewig lohnst,
Du wünschest mein Verderben nicht.
Du sorgest für den Wurm im Staube,
Darum steht fest auf Dich mein Glaube.
Du, den man nur mit Ehrfurcht denkt,
Du, der gezählet jedes Haar,
Du hast den grausen Sturm gelenkt,
Mich hast entrissen der Gefahr,
Auf Dich, Du ewig grosser Gott,
Auf Dich vertrau ich bis zum Tod.
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Des Mondes, der durch Wolken flieht,
Es saget mir sein blasses Licht,
Wenn Dir des Lebens Funk’ verglüht,
So bau’ auf Gott u[nd] und wanke nicht,
Und denk’ es schütz’ dich seine Macht
An jedem Tag, in jeder Nacht.“
So ging auch diese Nacht vorbey,
Und immer mehrt sich seine Qual,
Es nahet schon der Tag herbey,
Im Osten glänzt der Sonne Strahl.
Sie lächelt ihr Gesicht so hold
Das ganze Meer scheint röthlich Gold.
Da stürmet nun die Rotte ein,
Nur Tod droht ihm ihr wilder Blick,
Sie wollen ihn dem Meere weihn,
Weil er gespielt mit ihrem Glück.
Es lag vor seinem Auge klar
Des Todes schreckliche Gefahr.
Sie ziehn ihn an des Schiffes Rand,
Sie greifen ihren Feldherrn an,
Da tönt es von dem Mastkorb: Land
Land widerhallt der Ocean.
Und wie man nun das Land erschaut,
Da preisen sie den Feldherrn laut.
Doch dieser eilt im schnellen Lauf
Zum Mastkorb. Und der Held, er weint
Vor Freud! Da steigt die Sonne auf,
Die diese Gruppe hell bescheint.
Und unter freud’gem Rufen „Land“
Erreichen sie den fremden Strand.
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